Wo ist die Lust? Lustlosigkeit als Wegweiser zu dir
Die Abwesenheit von sexuellem Verlangen ist ein verbreitetes Problem, das oft zu Selbstzweifeln und Frustration führt. Vielleicht kennst du diese Situation, in der du dich fragst, was mit dir nicht stimmt und warum du nicht in der Lage bist, ganz selbstverständlich Lust zu empfinden. Mit diesem Artikel regt unsere Expertin Rachel Sara Kopp dazu an, Lustlosigkeit nicht als Defizit zu sehen, sondern als eine Möglichkeit, dich selbst besser zu verstehen und zu akzeptieren. Sie zeigt verschiedene Wege auf, deine eigenen Bedürfnisse und Vorlieben zu erkunden, um eine gesunde und erfüllende sexuelle Beziehung zu dir selbst und anderen aufzubauen.
Wünschst du dir mehr Lust auf Sex?
Es gibt Phasen im Leben, da bleibt die Lust auf Sex aus. Wenig oder keine Lust auf Sex zu empfinden, ist einer der häufigsten Gründe, warum Menschen eine Sexualberatung aufsuchen. Gerade in einer Partnerschaft kann es zu einer großen Herausforderung werden, wenn der Wunsch nach erotisch-sexuellem Austausch bei den Partner*innen unterschiedlich stark ist. Kennst du diese Situation?
Was stimmt bloß nicht mit mir?
Wenn der Zugang zur eigenen Lust auf und am Sex verschlossen ist, geraten wir leicht ins Zweifeln an uns selber. Wir gehen davon aus, dass wir irgendwas verkehrt machen, dass wir eben einfach „verklemmt“ sind, wünschen uns vielleicht, uns einfach mal locker machen zu können, so wie anderen das ja scheinbar auch gelingt. Manchmal werden wir auch wütend auf unsere*n Partner*in, dem*der unsere Lustlosigkeit zu schaffen macht, fühlen uns von seiner*ihrer Präsenz bedrängt.
Wir schauen missbilligend auf uns selbst und auf unsere*n Liebste*n –
was die Lust auf sexuellen Austausch noch weiter einschränkt.
Ja zu dir selber sagen
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, kann es helfen, einen Schritt zurück zu treten und mit ein wenig Abstand auf dich selber zu schauen. Unterstützen kann dabei zum Beispiel ein somatisches Sexualcoaching. Im vertrauensvollen Gespräch und mit Hilfe von einfachen Körperübungen tasten wir uns behutsam vor zum deinem Ja zu dir selber. Du bist richtig und gut, so, wie du bist – auch und gerade mit deiner Lustlosigkeit.
Lustlosigkeit als Wegweiser
Wie wäre es, wenn du die geringe Lust auf Sex nicht als Mangel, sondern als Wegweiser sehen könntest? Oft gibt es nämlich gute Gründe, warum du wenig Lust hast. Vielleicht ist in deinem Leben einfach gerade viel los, was dich beansprucht – ein Job, in dem du viel leisten musst, kleine Kinder, die deine Aufmerksamkeit brauchen, ungeklärte Konflikte in deiner Beziehung. Dein Körper und deine Psyche arbeiten die ganze Zeit auf Hochtouren. Du gehst vielleicht sogar permanent über deine Grenzen. Da bleibt kaum Raum zum Spüren, Loslassen, Genießen, zum lustvollen Einfach-nur-Sein. Dass vor diesem Hintergrund wenig Lust auf Sex aufkommt, ist kein Fehler in deinem System, sondern eine stimmige Antwort auf eine herausfordernde Lebenssituation.
Welche Art Sex tut mir gut?
Ein weiterer Grund für deine geringe Lust könnte die Art sein, wie du Sex hast. Es gibt eine Vielzahl an Varianten, sich selbst und gegenseitig zu berühren – und es gibt eine Vielzahl von Körperstellen, die Lust empfinden können. Langsam oder schnell, sanft oder kräftig, mit den Fingerspitzen, mit den Handflächen, genital, mit dem ganzen Körper…was sich gut anfühlt, kann von Mensch zu Mensch, von Moment zu Moment variieren.
Hast du dich schon einmal gefragt: Welche Art der Berührung tut mir gut? Und wann und von wem? Wenn du bisher wenig Lust am Sex hast, liegt es vielleicht daran, dass du diesen Fragen noch nicht nachgegangen bist. Auch hier ist deine Lustlosigkeit kein Zeichen dafür, dass mit dir etwas nicht stimmen würde – sondern ein Wegweiser in ein Land, das du vielleicht noch nicht so gut kennen gelernt hast – deinen eigenen Körper.
Der Weg aus der Lustlosigkeit: Inseln der Ruhe schaffen – dem Fühlen Raum geben
Vielleicht hilft es dir, in deinem Alltag Inseln der Ruhe zu schaffen, in denen du Zeit hast, dir selber zu begegnen und genau hinzuspüren: was brauche ich, um mich lustvoll zu fühlen? Du kannst dich deinen Sinnen zuwenden – Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Sehen – alle fünf sind Möglichkeiten, die Lust (auf Sex oder am Spüren) einzuladen und ihr Raum zu geben. Beim somatischen Sexualcoaching lernst du, wie du das konkret anstellst.
Deinen eigenen Körper zu erforschen, herauszufinden, was ihm gut tut und was ihn freut, ist eine weitere Möglichkeit, deiner Lust eine Tür zu öffnen. Auch hierzu erhältst du beim Sexualcoaching Impulse, denen du für dich allein oder gemeinsam mit deiner*m Partner*in nachgehen kannst.
Lass dir bei all dem Zeit und bleibe liebevoll und nachsichtig mit dir – Lust kommt nicht auf Knopfdruck und oft auch nicht über Nacht. Sie streckt ihre Fühler vorsichtig aus und zieht sich auch gerne immer mal wieder ein Stück zurück. Je mehr Geduld du mit dir selber hast, desto leichter wird die Lust sich bei dir heimisch fühlen.
Der andere Weg: Keine Lust auf Sex und zufrieden damit
Zu guter Letzt möchte ich noch anfügen, dass Lust auf und am Sex nichts ist, was da sein muss. Menschen sind unterschiedlich – und es sind unterschiedliche Dinge, die uns gut tun. Lustvoller Sex ist zwar ein wunderschöner Aspekt des Menschseins und kann vielfältige positive Auswirkungen auf unsere seelische und körperliche Gesundheit haben. Nichtsdestotrotz haben nicht alle Menschen gleich viel Freude daran oder überhaupt ein Verlangen danach. Und das darf so sein.
Wenn du also wenig oder keine Lust auf Sex und ein Problem damit hast, kann es sich lohnen, einmal genau hinzuspüren, woher die Schwierigkeiten kommen, die damit verbunden sind. Wenn du in dir keine Sehnsucht nach mehr Lust auf Sex findest – sondern im Gegenteil eine Zufriedenheit mit der Art, wie du im Leben stehst – tendierst du vielleicht ins Spektrum der Asexualität. Dann geht es darum, diese Erkenntnis zu festigen, um von hier aus die Schwierigkeiten im Außen – zum Beispiel in deiner Partnerschaft – zu bearbeiten. Auch hier kann ein somatisches Sexualcoaching hilfreich sein.
Fazit: Lustlosigkeit ist kein Ende, sie kann aber ein Anfang sein.
Die Lust auf Sex kann von vielen Faktoren beeinflusst werden und es ist wichtig zu erkennen, dass geringe Lust keine Abnormalität darstellt. Durch das Eintauchen in die eigene Sinnlichkeit, das Erkennen der individuellen Bedürfnisse und einfach auch Zeit für dich kann sich eine Tür zur Lust öffnen. Ein somatisches Sexualcoaching kann dabei eine wertvolle Unterstützung sein, um den eigenen Körper und seine Bedürfnisse besser kennenzulernen.