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Schlagwort: Sexocorporel

Was macht eine Sexologin, Kathy?

Die Sexologie gibt es schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts und ihre Aufgabe ist heute so aktuell wie immer. Wir haben die Sexologin und systemische Sexualtherapeutin Kathy Mussäus getroffen und ihr acht Fragen zu ihrer Arbeit gestellt:

Bitte stell dich einmal kurz vor.

Ich bin Kathy Mussäus, 52 Jahre, Paar- und Sexualtherapeutin in Schwerin mit eigener Praxis sowie Heilpraktikerin für Psychotherapie und Klinische Sexologin iSi. Meine Neugierde und Offenheit sind die wichtigsten Motivatoren in meinem Job.

Was ist bzw. macht eine Sexologin?

Eine Sexologin befasst sich mit der Sexualität einzelner Personen oder auch von Paaren. Die Klientinnen kommen mit unterschiedlichen Thematiken, die sie in der Sexualität beschäftigen. Eine Sexologin versucht aufgrund der Erzählungen das Ziel der einzelnen Person zu verstehen und dann ein Profil der Person zu erstellen. Was bringt die Person bereits an Fähigkeiten in ihrer Sexualität mit. Auf Basis der bereits erlernten Fähigkeiten können Lernschritte gemacht werden, die in Zusammenarbeit mit der Sexologin erarbeitet werden. Denn der Grundsatz in der Sexologie heisst, Sexualität ist erlernt und kann jederzeit erweitert werden.  

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

Ich habe jahrelang einen Sexshop für Frauen in Hamburg geführt. Hier sind mir viele Fragen um das Thema Sexualität gestellt worden. Viele Fragen konnte ich nicht beantworten, da mir hierfür das sexualtherapeutische Wissen fehlte. Dann habe ich den sexualtherapeutischen Ansatz Sexocorporel entdeckt und die mehrjährige Ausbildung absolviert. Nebenbei habe ich noch die systemische Paar- und Sexualtherapie abgeschlossen, was mein Profil entsprechend abgerundet hat. 

Wie kann ich mir deine Arbeit als Sexologin vorstellen?

Ich habe Therapiesitzungen, in welchen wir das Anliegen der Klientinnen klären und durch entsprechende Fragegestellungen analysieren, welche sexuellen Fähigkeiten die Person mitbringt. Oftmals erleben sich meine Klientinnen als Mangelobjekt. Doch bei genauem Hinsehen, haben wir alle schon einiges in unserer Sexualisierung gelernt und erlebt. 

Mit welchen Themen kommen Frauen zu dir?

Die meisten Frauen kommen mit dem Thema sexuelle Unlust zu mir. Was häufig damit einhergeht, dass Frauen in der heterosexuellen Partnerschaft nicht zum Höhepunkt kommen. 

Aber auch das Thema Schmerzen beim Sex – z.B. beim Eindringen, während oder nach dem Geschlechtsverkehr – ist nicht selten.

Was beschäftigt dich als Sexologin aus gesellschaftlicher Sicht?

Mich beschäftigt, dass wir in der Gesellschaft die weibliche Sexualität noch nicht in der Präsenz haben, wie sie sein sollte. Viele Frauen sehen sich in der Sexualität noch als Pflichterfüllerin, dass es dem Mann gefällt. Ihre eigenen Bedürfnisse werden hierbei eher ignoriert. 

Gibt es einen aktuellen Trend in deinem Fachgebiet?

Ich denke schon, dass der Trend ist, die weibliche Sexualität zu enttabuisieren. Es wird immer mehr über Regelblutungen, Solosex, die Wechseljahre und weibliche Sexualität im Allgemeinen gesprochen. Es werden Workshops angeboten, in denen es rein darum geht, wie kann ich mir selbst Lust verschaffen. Das hat sicherlich schon in den 70er Jahren angefangen, aber es wird heute noch öffentlicher dargestellt. Das ist eine gute Entwicklung!

Welche Tipps hast du, was jede Frau jederzeit für sich tun kann?

Diese Fragen stellen: 
Für wen habe ich den Sex und warum? 
Wo ist mein Fokus, wenn ich Sex habe? 
Weiss ich, wie ich mich erregen kann und wie ich Erregung steigern kann? 

Vielen Dank für das Gespräch!

Du willst mehr erfahren?
Hier geht’s zu Kathys Seite und ihrem Angebot

Was ist Sexocorporel? 

Was macht eigentlich eine Sexualtherapeutin, die auf Basis von Sexocorporel berät? Der Begriff und das Konzept haben in der Welt der sexuellen Gesundheit schon einige Verbreitung gefunden. Ein guter Grund ein bisschen in die Tiefe zu gehen. Wir haben Kathy Mussäus – ausgebildete Sexologin und systemische Sexualtherapeutin mit Fokus auf Sexocorporel – gebeten eine Einführung zu geben und ihre Herangehensweise und Erfahrung zu teilen. Das ist ihr Beitrag:

Die Grundlagen von Sexocorporel

Sexocorporel ist ein sexualtherapeutisches Model, das von dem Kanadier Jean-Yves Desjardins (1931-2011) ab den 60er Jahren entwickelt wurde. Das Model des Sexocorporel basiert auf verschiedenen Annahmen, wie beispielsweise, dass Sex erlernt ist und nicht in unserem biologischen „Skript“ verankert. Viele kennen den Spruch: „Sex ist die natürlichste Sache der Welt!“. Das vermittelt uns (falsch!), dass Sexualität etwas ist, was entweder funktioniert oder eben nicht.

Die gute Nachricht ist, dass wir Sexualität zu jedem Zeitpunkt in unserem Leben entwickeln und erweitern können. Vergleichbar mit einem Instrument, welches wir spielen möchten. In diesem Fall ist der Körper unser Instrument, welches wir erforschen und lernen, dieses bei der Sexualität einzusetzen. 

Der Zugang zum Körper

Eine weitere Annahme des Sexocorporel ist die Körper-Hirn Einheit. Was bedeutet das genau? Wenn wir negative Gedanken haben, werden wir keine positiven Emotionen erhalten und umgekehrt. Wenn wir beispielsweise Gedanken haben, die in uns Wut auslösen, wirkt sich das auch auf unser Körpererleben aus. Menschen, die wütend sind, kann man oft bereits an einer gewissen Mimik oder auch Körperhaltung erkennen. Wir benötigen manchmal keine Sprache dazu. Ähnlich ist es auch bei Freude, die sich durch eine positive Mimik im Gesicht widerspiegelt. Mit diesen menschlichen Fähigkeit, etwas über den Körper auszudrücken, nutzen wir im Sexocorporel. Wir beeinflussen unser Erleben über unseren Körper, die Gedanken und Emotionen. 

Meine Wissensbasis für Sexocorporel

Als Therapeutin erfahre ich in den ersten Sitzungen, mit welchem Anliegen eine Person zu mir kommt. Mich interessiert, was die Person gerne in der Sexualität erleben möchte bzw. wo gerade eine (ungewollte) Grenze in der Sexualität wahrgenommen wird. Dann erstelle ich eine Evaluation, eine Bestandsaufnahme. Dabei lasse ich mir oft den Sexualisierungsprozess erklären. Beispielsweise wie die ersten Erfahrungen mit der Sexualität waren – sowohl in der Paarsexualität, aber auch im Solosex. Wie hat die Person es geschafft, sich für das eigene Genital zu sensibilisieren? Was interessiert die Person an Sexualität? Weiss die Person, was ihn/sie erregt oder wie die Person die Erregung steigert? Das sind immer sehr persönliche Erlebnisse und Erfahrungen. Aufgrund der Rückmeldungen ordne ich ein, welche Ressourcen die Person bezüglich der eigenen Sexualität mitbringt. Oftmals machen sich die Menschen keine Gedanken darüber und entsprechend sind sie oft erstaunt, was sie bereits erlernt und erfahren haben. Und genau darum geht es im Modell des Sexocorporel. 

Der Beratungsprozess

Ich schaue mit dem Wissen über diese Ressourcen auf die Person und zeige den Klient*innen, welche Fähigkeiten bereits entwickelt sind. Es ist erfahrungsgemäß einfacher, etwas mit vorhandenen Fähigkeiten zu erlernen, als wenn ich etwas ohne Grundlage entwickeln möchte. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch die Motivation. Wofür möchte ich überhaupt meine Sexualität weiterentwickeln? Weil es dazu gehört oder weil mein/e Partner*in sich das wünscht? Was kann ich als Person davon haben, die eigene Sexualität zu erleben? 

Es ist natürlich ein Prozess, der sich langsam entfaltet, doch jeder kleine Schritt ist ein Weg zur selbstbestimmten Sexualität. Die Neugierde und die kleinen Fortschritte helfen uns auf dem Weg zu bleiben und uns zu entwickeln.

Es lohnt sich!